Die Arbeit bei gutem Lohn zog die Menschen nach Neutral-Moresnet. Nach und nach verzehnfachte sich die Bevölkerung. Die Vieille Montagne ließ eine Schule, zwei Kirchen, Wohnhäuser und eine Apotheke bauen, bezahlte Lehrer, Priester und einen Arzt. Kranke und verletzte Arbeiter bekamen Soforthilfen. Die Menschen trafen sich in Vereinen. Bis heute gibt es die Karnevalsgesellschaften und auch die alljährliche Kirmes hat ihren Anfang in Neutral-Moresnet genommen. „Die Bergbaugesellschaft Vieille Montagne prägte damals das gesamte soziale Leben“, sagt Ruess. Der Preis dafür: keine Gewerkschaften, keine Wahlen, strenge veraltete Gesetze.
Die eigene Herkunft spielte in Neutral-Moresnet keine Rolle. Die Menschen sahen sich als Neutrale – eine Besonderheit bis heute. „In Kelmis fühlt man sich zuerst als Kelmiser und dann etwa als deutschsprachiger Belgier“, erklärt der Kelmiser Naturführer Robert Schmetz. Die Bewohner von Neutral-Moresnet gaben sich auch ein inoffizielles Wappen: oben Eisen und Schlägel sowie Sterne aus dem Logo des Bergbaugiganten, darunter auf gleicher Ebene der belgische Löwe und der preußische Adler. „Das zeigt wirklich das besondere Selbstbewusstsein von Neutral-Moresnet“, schwärmt Ruess über ihr Lieblingsexponat und verweist auf das aktuelle Wappen von Kelmis. Löwe, Adler, Bergmannswerkzeug und Sterne sind geblieben, wenn auch in moderneren Formen und mit neuen Bedeutungen.