Eine schaurig romantische Geschichte
Zu jeder Jahreszeit zeigt sich das Venn in einer anderen Farbe. Im Frühling sind die Torfmoosteppiche von den Blüten der Rosmarinheide und Moosbeere weiß-rosa getupft. Im Sommer schwimmen große Inseln gelber Ährenlilien über dem Moor, während das Gras ein saftiges Grün angenommen hat. Guidos Lieblingsjahreszeit ist jedoch der Herbst, wenn der Nebel zu Füßen der bunten Bäume liegt. Dann ist es hier wunderbar melancholisch, meint der Fotograf.
Wenn es dunkel wird oder sich Nebel über die Moorlandschaft legt, ist die Orientierung gar nicht mehr so einfach. Zum Glück gibt es einen Turm, der Wanderern den Weg weist. Früher haben auch eine Glocke und ein Leuchtfeuer Orientierung geboten – bis 1867 wurde die Glocke, die in der Kapelle Fischbach unweit der Gaststätte Baraque Michel hängt, bei Nebel und Schneesturm geläutet.
Baraque Michel liegt direkt am Wanderparkplatz. Von dort aus starten viele Rundwege ins Venn. „Auf der Rückkehr gehört eine Einkehr in die Gaststätte einfach dazu,“ schwärmt Guido, vor allem das selbst hergestellte Vennbrot und die Wildschweinbuletten mit Rotkohl müsse man probiert haben. Heute ist der Fotograf jedoch nicht wegen der traditionellen Küche hier, sondern wegen Marie und François, den tragischen Berühmtheiten des Venns. Der Rundweg zu den beiden beginnt an der Kapelle Fischbach.Obwohl der Weg sehr schön ist, scheinen Guidos Schritte schwerer geworden zu sein. „Die Geschichte von François und Marie ist eine voller Liebe und letztendlich voller Tragik,“ erzählt Guido und geht auf einen Grenzstein zu, neben dem ein großes Holzkreuz steht. Das junge Paar wollte in einer bitterkalten Januarnacht 1871 das Hohe Venn durchqueren, um die Hochzeitspapiere abzuholen. Aller Warnungen zum Trotz liefen sie in den Schneesturm hinaus, kamen vom Weg ab und erfroren. Der Ort, an dem das „Kreuz der Verlobten“ steht, soll der sein, an dem Marie starb. François, der Hilfe holen wollte, wurde etwa einhundert Meter davon entfernt gefunden. „Für mich ist das aber auch eine Geschichte voller Hoffnung, für die Liebe.“ Vielleicht ist das Croix des Fiancés auch deswegen mittlerweile zu einer Art kleinem Pilgerort im Venn geworden.
Obwohl das Croix des Fiancés in jedem Reiseführer erwähnt wird, ist der Ort ganz schlicht. Kennt man die Geschichte nicht, ist es bloß ein weiteres von den zahllosen Kreuzen im Hohen Venn. Noch ein Ort, der – wäre heute ein ganz normaler Tag im Venn – eine Gänsehaut verursachen würde. Aber die Sonne scheint immer noch.