Vor gut zweihundert Jahren begann ein interessantes Kapitel in der belgischen Geschichte. Nach den Napoleonischen Kriegen wurde Europa 1815 auf dem Wiener Kongress neu geordnet. Über einen kleinen Landzipfel von 3,4 Quadratkilometern, zwischen den Niederlanden und der preußischen Rheinprovinz gelegen, konnten sich die Siegermächte jedoch nicht einigen. Auf dem Gebiet von Kelmis befanden sich Galmeivorkommen, ein für die damals aufkeimende Industrie wichtiges Zinkerz. Schließlich zogen beide Parteien auf der Landkarte ein paar gerade Linien und erklärten ein Dreieck zum strittigen Gebiet: Der Ort Moresnet ging an die Niederlande, das heutige Neu-Moresnet ging an Preußen und das restliche Gebiet (u.a. das heutige Kelmis) mit seiner Zinkgrube erhielt einen neutralen Status. Die Gesetze des ehemaligen französischen Reiches blieben in Kraft. Mehr als einhundert Jahre lang, von 1816 bis 1919, bildete Neutral-Moresnet ein Kuriosum europäischer Geschichte.
Die Steuern waren niedrig und wurden über Jahrzehnte nicht erhöht. Es gab zahlreiche Schnapsbrennereien und einen schwunghaften Handel mit Alkohol, der viel Schmuggel mit sich brachte, da die Ausfuhr nach Preußen und Niederlande/Belgien besteuert wurde. Die Grenze von Neutral-Moresnet wurde zunächst mit hölzernen Grenzpfählen markiert. Diese verwitterten recht schnell und mussten daher regelmäßig ausgetauscht werden. In den Jahren 1869 und 1870 wurden die hölzernen Grenzpfähle daher durch 60 Grenzsteine ersetzt. Die steinernen Markierungen waren entlang der belgischen Grenze mit I-XXX, und an der preußischen Grenze mit XXXI-VX nummeriert. Mehr als 50 dieser Grenzsteine sind bis heute erhalten geblieben und bilden eine lebendige Erinnerung an das einst so besondere und einmalige Gebiet.
Belgien übernahm 1919 infolge des Versailler Vertrages die Hoheitsgewalt über dieses Gebiet. Somit wurde Neutral-Moresnet am 10. Januar 1920 zur Gemeinde Kelmis.